Sichtbarkeit als Voraussetzung für DesignschutzDie Sichtbarkeit ist eine weitere wichtige Voraussetzung für den Designschutz. Sie ist im deutschen Designgesetz (§ 1 Nr. 1 DesignG) und der europäischen Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung (Art. 4 Abs. 2 GGV) geregelt. Sichtbarkeit bedeutet, dass das Design für den informierten Benutzer wahrnehmbar ist und sich auf die äußerliche Erscheinungsform des Produkts bezieht.
1. Rechtliche GrundlageDeutschland (§ 1 Nr. 1 DesignG):Ein Design muss die äußere Erscheinungsform eines Erzeugnisses oder eines Teils davon betreffen. Das Design muss dabei für den Benutzer sichtbar sein, wenn das Erzeugnis bestimmungsgemäß verwendet wird. Europa (Art. 4 Abs. 2 GGV):Die GGV spezifiziert, dass nur sichtbare Merkmale von komplexen Erzeugnissen schutzfähig sind, wenn sie im bestimmungsgemäßen Gebrauch wahrnehmbar sind.
2. Anforderungen an die Sichtbarkeit2.1. Sichtbarkeit während der NutzungDas Design muss im bestimmungsgemäßen Gebrauch des Produkts sichtbar sein. Ein Teil eines Produkts, der nur im Inneren verborgen bleibt, ist nicht schutzfähig. Beispiele: - Schutzfähig: Die äußere Form eines Autos, da sie im Gebrauch sichtbar ist.
- Nicht schutzfähig: Der Motor eines Autos, da er im Normalfall nicht sichtbar ist.
2.2. Sichtbarkeit bei komplexen ErzeugnissenFür komplexe Erzeugnisse (Produkte, die aus mehreren Bauteilen bestehen) gilt, dass nur die Teile geschützt werden können, die bei der Nutzung sichtbar sind und zum Erscheinungsbild des Produkts beitragen. Beispiele: - Schutzfähig: Das Design der Felgen eines Autos, da sie während der Fahrt sichtbar sind.
- Nicht schutzfähig: Das Innere eines Kopierers, das nur bei Reparaturarbeiten zugänglich ist.
2.3. Wesentliche GestaltungselementeDie sichtbaren Merkmale müssen äußere gestalterische Elemente des Designs betreffen. Funktionale oder technische Eigenschaften allein genügen nicht. Beispiele: - Schutzfähig: Eine besondere Musterung auf der Oberfläche eines Kühlschranks.
- Nicht schutzfähig: Schrauben oder Bolzen, deren Gestaltung ausschließlich funktional ist.
3. Sichtbarkeit in der Praxis: Beispiele3.1. Positivbeispiele- Möbel: Ein Stuhl mit einem einzigartigen Muster auf der Rückenlehne ist sichtbar, wenn der Stuhl verwendet wird, und daher schutzfähig.
- Mode: Die Stickerei auf der Außenseite einer Jacke ist sichtbar und somit geschützt.
- Technologie: Die Gestaltung der Benutzeroberfläche eines Smartphones ist sichtbar und kann Designschutz genießen.
3.2. Negativbeispiele- Innere Strukturen: Das Gestaltungsmerkmal einer Zahnbürste, das nur im Inneren der Verpackung sichtbar ist, ist nicht schutzfähig.
- Verborgene Elemente: Eine besondere Form eines Autoreifenprofils ist nicht geschützt, da es normalerweise nicht sichtbar ist.
4. Einschränkungen durch die Sichtbarkeitsregel4.1. Teile eines ErzeugnissesNur die sichtbaren Teile eines Produkts sind schutzfähig. Dies schränkt insbesondere die Schutzmöglichkeiten für Produkte mit funktionalen oder internen Komponenten ein. Beispiel: Ein Designer entwirft eine neue Getriebeeinheit. Da diese bei der Nutzung des Fahrzeugs nicht sichtbar ist, kann sie nicht designrechtlich geschützt werden. 4.2. Technisch bedingte MerkmaleMerkmale, die ausschließlich durch die technische Funktion bedingt sind und keinen gestalterischen Einfluss haben, fallen ebenfalls aus dem Schutzumfang. Beispiel: Die Form eines Flugzeugflügels, die ausschließlich aerodynamischen Anforderungen entspricht, ist nicht schutzfähig.
5. Rechtsprechung zur Sichtbarkeit5.1. EuGH, Az. C-281/10 („PepsiCo/Grupo Promer Mon Graphic“):- Sachverhalt: Streit um Designrechte für Werbekreisel. Die Frage war, ob die sichtbaren Merkmale des Produkts ausreichend für einen eigenständigen Gesamteindruck waren.
- Entscheidung: Der EuGH betonte die Bedeutung der Sichtbarkeit der Merkmale für die Schutzfähigkeit und stellte klar, dass der Gesamteindruck der sichtbaren Teile entscheidend ist.
5.2. BGH, Az. I ZR 126/11 („Prada-Handtasche“):- Sachverhalt: Die äußere Gestaltung einer Handtasche wurde auf Designschutz geprüft.
- Entscheidung: Der Schutz wurde anerkannt, da die sichtbaren Merkmale die gestalterische Eigenart des Produkts ausmachten.
5.3. EuG, Az. T-9/07 („Lego-Baustein“):- Sachverhalt: Streit über die Schutzfähigkeit der sichtbaren Teile eines Lego-Bausteins.
- Entscheidung: Sichtbare, gestalterische Elemente, die nicht nur funktional bedingt sind, können geschützt werden.
6. Wie Designrechtler bei der Sicherstellung der Sichtbarkeit helfen- Analyse der Produktgestaltung:
- Identifizierung der sichtbaren Merkmale eines Produkts, die für den Schutz infrage kommen.
- Recherche:
- Prüfung, ob ähnliche sichtbare Merkmale bereits geschützt sind.
- Beratung:
- Unterstützung bei der Gestaltung von Produkten, um sichtbare und schutzfähige Elemente hervorzuheben.
- Anmeldung:
- Sicherstellung, dass bei der Anmeldung die sichtbaren Merkmale korrekt dokumentiert und beschrieben werden.
- Rechtsdurchsetzung:
- Durchsetzung des Schutzes gegen Nachahmer, insbesondere bei Streitfragen zur Sichtbarkeit der Merkmale.
SichtbarkeitDie Sichtbarkeit ist ein grundlegendes Kriterium für den Designschutz. Nur die äußeren Merkmale eines Produkts, die im bestimmungsgemäßen Gebrauch wahrnehmbar sind, können geschützt werden. Eine sorgfältige Analyse und strategische Planung bei der Produktgestaltung sind entscheidend, um sicherzustellen, dass sichtbare Elemente optimal geschützt werden können. Designrechtler helfen dabei, diese Voraussetzungen zu erfüllen und im Streitfall erfolgreich durchzusetzen. |